Der Hugenottenfriedhof

Wolf Biermann

Wir gehn manchmal zwanzig Minuten 
Die Mittagszeit nicht zu verliern 
Zum Friedhof der Hugenotten 
Gleich hier ums Eck spaziern 
Da duftet und zwitschert es mitten 
Im Häusermeer blüht es. Und nach 
Paar wohlvertrauten Schritten 
Hörst du keinen Straßenkrach 

Wir hakeln uns Hand in Hand ein 
Und schlendern zu Brecht seinem Grab 
Aus grauem Granit da, sein Grabstein 
Paßt grade für Brecht nicht schlecht 
Und neben ihm liegt Helene 
Die große Weigel ruht aus 
Von all dem Theaterspielen 
Und Kochen und Waschen zu Haus 
Dann freun wir uns und gehen weiter 
Und denken noch beim Küssegeben: 
Wie nah sind uns manche Tote, doch 
Wie tot sind uns manche, die leben 

Wir treffen das uralte Weiblein 
Das harkt da und pflanzt da und macht 
Und sieht sie uns beide kommen 
Dann winkt sie uns ran und lacht 
Die Alte erzählt uns von Achtzehn 
Novemberrevolution: 
»Hier schossen sich Spartakisten 
Mit Kaiserlichen, die flohn! 

Karl Liebknecht und Luxemburg Rosa 
- so muß es den Menschen ja gehn! - 
lebendig und totgeschlagen 
Hab ich sie noch beide gesehn! 
Als ich noch ein junges Ding war 
- ich bin ja schon viel zu alt! - 
Von hier bis zur Friedrichstraße 
War alles noch dichter Wald!« 
Dann freun wir uns und gehen weiter ... 


Da liegt allerhand große Leute 
Und liegen auch viel kleine Leut 
Da stehn riesengroße Platanen 
Daß es die Augen freut 
Wir gehn auch mal rüber zu Hegel 
Und besuchen dann dicht dabei 
Hanns Eisler, Wolf Langhoff. John Heartfield 
Wohnt gleich in der Nachbarreih' 

Von Becher kannst du da lesen 
Ein ganzes Gedicht schön in Stein 
Der hübsche Stein da aus Sandstein 
Ich glaub, der wird haltbarer sein 
Die Sonne steht steil in den Büschen 
Die Spatzen jagen sich wild 
Wir halten uns fest und tanzen 
Durch dieses grüne Bild 
Dann freun wir uns und gehen weiter
Página 1 / 1

Letras y titulo
Acordes y artista

restablecer los ajustes
OK